Voller Vorsteuerabzug für gemischt genutztes Gebäude

Wie erwartet hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 8.5.2003 (C-269/00) nun klargestellt, dass die deutschen Vorschriften, die den Vorsteuerabzug versagen, soweit er anteilig mit der privaten Nutzung eines Gebäudes im Unternehmensvermögen zusammenhängt, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen. Zur Begründung führen die Richter des EuGH an, dass die Verwendung eines Teils eines gemischt genutzten Gebäudes für den privaten Bedarf nicht einer steuerfreien Vermietung gleichzusetzen ist, da wichtige Voraussetzungen wie Vereinbarungen über Mietzins, Dauer des Nutzungsrechts usw. fehlen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine umsatzsteuerpflichtige Dienstleistung. Folglich ist die Vorsteuer, die mit dem Erwerb bzw. der Herstellung des insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gebäudes nun in voller Höhe sofort abzugsfähig. Im Gegenzug unterliegt die private Verwendung jedes Jahr der Umsatzsteuerpflicht. Nach der deutschen Rechtslage hingegen konnte der Unternehmer nur die auf den betrieblich genutzten Gebäudeanteil entfallenen Vorsteuern geltend machen.

Vereinfachtes Beispiel: Ein Unternehmer lässt von einem Bauunternehmen ein Gebäude für 500.000 Euro zzgl. 80.000 Euro USt errichten. Die Fertigstellung erfolgt im Januar 2003. Das Gebäude wird je zur Hälfte von ihm betrieblich bzw. privat genutzt und insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordnet. Nach deutschem Recht kann der Unternehmer Vorsteuern aus den Herstellungskosten lediglich i. H. v. 40.000 Euro (80.000 Euro : 2) geltend machen.
Die private Nutzung bleibt hingegen umsatzsteuerfrei. Nach der neuen Rechtsprechung des EuGH kann der Unternehmer jedoch die gesamte Umsatzsteuer – also 80.000 Euro – geltend machen.

Die Umsatzsteuer für die private Verwendung beträgt jährlich 800 Euro (Bemessungsgrundlage: 500.000 Euro : 2 = 250.000 Euro x 2 % (AfA) = 5.000 Euro).

Nach der geltenden deutschen Rechtslage ist die Vorsteuer zu berichtigen, d. h. an das Finanzamt anteilig für den restlichen Zeitraum zurückzuzahlen, falls das Gebäude innerhalb von zehn Jahren umsatzsteuerfrei veräußert bzw. ins Privatvermögen übertragen wird. Nach Ablauf des Zeitraums entfällt die Notwendigkeit der Berichtigung, was zu einer endgültigen Ersparnis im Beispielsfall i. H. v. 32.000 Euro führen würde.

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